Zur Installation in der Abtei Brauweiler / 2016
Idee / Konzeptionelle Rauminstallation
„Der Betrachter macht die Kunst“ bezieht sich auf ein Zitat von Marcel Duchamp und beschreibt eine konzeptionelle Arbeit, die ich von 2003-2012 auf verschiedenen Ausstellungen realisiert habe. (*eine Dokumentation dazu finden Sie unter www.art-slash.net) Neben den Raum-, und Lichtinstallationen, bestehend aus bis zu 66 Gipsfiguren, entstanden verschiedene Objekte, Texte und Grafiken dafür.
Leitgedanke der konzeptionellen Arbeit ist die dramaturgische Inszenierung der Gipsfiguren, der „Betrachter“, innerhalb des jeweiligen Ausstellungsraumes. Sie verweisen den Ausstellungsbesucher auf seine eigene, gegebene Rolle der Partizipation innerhalb jedweder Kunstbetrachtung. Sie erheben ihn, gemäß Titel, zum Künstler. Dieses Konzept wurde jeweils angepasst an Räumlichkeit und Kontext der Ausstellungssituationen. Mit jeder neuen Installation wurde die Aussage, [dass der Betrachter die Kunst macht], neu thematisiert bzw. kamen stets neue Interpretationsebenen hinzu.
Die Figuren selbst sind formal identisch, sie sind Replikate eines einzigen Originals. Sie sind keine Skulpturen im klassischen Sinne. Ihre spezifische Form und fragile Materialität wirkt erst als Figurengruppe, welche gewissermaßen als Spielfiguren für Raum- und Lichtinstallation entworfen wurden. Die weiße Gestalt fungiert symbolisch und physikalisch als Projektionsfläche. Die „Betrachterfiguren“ wirken individuell wie ein gemischtes Publikum, eben weil ihre gewundene, nicht greifbare Körperhaltung aus jeder Perspektive anders erscheint. Dieser Effekt wird durch den individuellen Licht- und Schattenwurf u.a. auch auf dem minimalistisch angelegten Gesicht verstärkt. Ihre teils vorhandenen Gussnähte und Makel sind gemäß Konzept bewusst belassen, zum einen, um den individualisierten Effekt zu verstärken, aber auch um metaphorisch ihre Unverwechselbarkeit innerhalb einer homogenen Gruppe zu betonen.
Zur Installation in der Abtei Brauweiler
Diese Figurengruppe ist auf einem spezifischen Sockel befestigt, u.a. auch, um den Betrachter in seiner Rolle nochmals zu „höhen“, ganz im wörtlichen Sinne etwas auf den Sockel zu heben, als Symbol für Verehrung und für das ausgestellt sein. Konzeptioneller Leitfaden ist auch hier die spezifische Anordnung der Figuren und das, worauf sie blicken. Für die Abtei Brauweiler war es mir wichtig, insbesondere den architektonisch und historisch geprägten Raum und den besagten Moment der Kunstbetrachtung zu inszenieren, bzw. den Begriff der Partizipation interaktiv erfahrbar zu machen.
Sechs Betrachterfiguren sind auf einem 1.20 Meter hohen Holzsockel installiert. Die Zahl sechs hat im Alltag wenig symbolische Bedeutung, in ihrer Mengenwahrnehmung ist sie recht unauffällig. Sechs steht hier schlicht für „viele“. Die Figuren blicken in einen holzgerahmten Spiegel, – dabei dem Ausstellungsbesucher jedoch den Rückend kehrend. Angeordnet sind sie nicht nach ästhetischen Präferenzen, sondern in einer Art inszenierten Beliebigkeit, die eine ebenso beliebige Gemeinschaft oder auch eine zufällige Menschenmenge suggerieren soll. Der konvexe Spiegel zeigt den gewölbten Raum aus einer Vogelperspektive. Wenn der Ausstellungsbesucher in den Spiegel hineinblickt projiziert der Spiegel im „Moment des Betrachtens“ den „Ausstellungsbesucher beim Betrachten“. Dann erst blicken die Figuren nicht einfach nur in den virtuellen Raum, sie blicken gewissermaßen indirekt zum Bild des Betrachters. Diese Installation ist gewissermaßen das Paradoxon der Hypothese, [dass der Betrachter die Kunst macht.] Ohne den Ausstellungsbesucher ist der Kunstschöpfer also nicht körperlich anwesend und respektive damit auch keine Kunst. Die Installation betont mit seinen mehrfachen, metaphorischen Spiegelungen insbesondere die philosophischen Aspekte des Gedankenexperiments, z.B. über das was zuerst da war – die Kunst oder der Künstler, respektive das zu Betrachtende oder der Betrachter.
Leitgedanke der Installation in der Abtei Brauweiler ist aber auch die Erweiterung des „Betrachtens“, zu einem Gefühl des „beobachtet Werdens“. Wer weiterforscht wird merken, dass dieser gerahmte Spiegel ein handelsüblicher Überwachungsspiegel ist, der z.B. für Verkehrssicherheit oder eben zur Güterüberwachung verwendet wird. Es ist ein durchaus zeitgenössisches Gefühl, sich überwacht zu fühlen. Im Kontext der Abtei kann dieses Gefühl aber auch mit religiösen Bezügen in assoziiert werden.
Intention & Arbeitsweise
Ich habe das Konzept dieser Rauminstallation und seine konstanten Spielelemente vorher visualisiert, bzw. baue ich oft Modelle, um mir Konstanten und Variablen einer Rauminstallation vorstellen zu können. Dieses spielerische Herangehen hilft mir, einen interaktiven Aspekt zu konzipieren. Es gibt in vielen Installationen des Konzeptes „Der Betrachter macht die Kunst“ einem spielerischen Moment, wo Besucher z.B. Fotos der Figuren machen, wo spontane Performances passieren, kleine Philosophien ausgetauscht werden oder wo aus dem Betrachter ein neugieriger Beobachter des Geschehens wird. Vor allem Künstler, Fotografen und Architekten philosophieren oft über verschiedene Möglichkeiten der ästhetischen Inszenierung, während Pädagogen, Naturwissenschaftler, Filmemacher und Schriftsteller jeweils eher erzählerische Inspirationen entdecken. Der Aspekt des steten Austauschs mit dem Ausstellungsbesucher ist für mich wesentlich zur Fortführung des Konzeptes.
Beispiele bisheriger Installationen (Kurzfassung)*
So waren z.B. ein Dutzend Figuren auf dem Boden stehend angeordnet in vier Einzel-Installationen, 2009 zur Ausstellung Transformers in der Ostrale in Dresden. Für die Installation hatte ich einen ehemaligen Schafstall zur Verfügung. Entsprechend dieser raumgegebenen archaischen Grundelemente habe ich die Inszenierung einer Art philosophischem Lichtspiel & Schattenwurf-Dramaturgie angepasst, welche vor Ort oft mit dem platonischen Höhlengleichnis assoziiert wurde. Der weiträumige Raum wurde bestimmt von den riesigen Schattenprojektionen an den Wänden, welche von den kleinen Figuren, am Boden stehend, als auch und von den wechselnden Schattenwürfen der Ausstellungsbesucher gezeichnet wurden.
In der Installation in Rösrath blickten sechs Figuren, auf einem 1.20 Meter hohen Sockel stehend, über die Köpfe der Ausstellungsbesucher hinweg, zu den Dokumentationsfotos der Ausstellung in Dresden, als suchten sie sich selbst im Bild. Die meisten Ausstellungsbesucher haben spät gemerkt, dass diese Gipsfiguren die gleichen Exemplare der Figurengruppen sind, welche auf den Bildern zu sehen sind. Es gab auch verschiedene minimalistischere Installationen innerhalb von Gruppenausstellungen, innerhalb derer die Figuren z.B, im inszenierten Schwarmverhalten Raum und Ausstellung betrachteten. Derzeit wird die Arbeit parallel innerhalb einer Gruppenausstellung im Katharinenhof in Bonn gezeigt. Hier blicken die Betrachter von einem 80 cm Sockel haarscharf, beinahe suchend über den Ausstellungsbesucher hinweg. Erst wenn man unmittelbar an die Figuren herantritt, hat man das Gefühl, sie blickten ins eigene Angesicht. Hier spiele ich mit der physischen und metaphorischen „Nähe“, bzw. dem tatsächlichen Abstand des Ausstellungsbesuchers beim Betrachten. Auch hier arbeite ich mit einem Spiegel, welcher den Raum von weitem betrachtet auf den Kopf stellt und erst in 7cm Abstand die eigene Partizipation ins Bewusstsein rückt.
Der Betrachter macht die Kunst / zur Installation im Katharinenhof in Bonn / 2016
Wie schon in Rösrath habe ich nur einen Teil der „Betrachtergruppe“, wiederum sechs Exemplare ausgestellt1. Im Unterschied zur Installation in Rösrath habe ich jedoch keine Bezüge zu den vergangenen Installationen hergestellt, die das Projekt als serielles Konzept einer Rauminstallation erklären würden. Ich habe mich spielerisch auf zwei wesentliche Leitgedanken des Konzeptes zurückbesonnen. Entscheidend für die Dechiffrierbarkeit und eben das interaktive Gedankenspiel ist die Position des skulpturalen „Betrachters“ und eben das, was er vermeintlich „betrachtet“, denn genau genommen haben diese Figuren keine Augen, was eigentümlicherweise kaum thematisiert wird. Gemäß Duchamps Ausspruch „Der Betrachter macht die Kunst“ erhebt allein der Titel der Arbeit den Ausstellungsbesucher zum Künstler, schon allein durch seine Präsenz. Der Sockel ist ein neues Element, welches aus organisatorischen Gründen hinzugekommen ist. Als Raumelement höht er die „Betrachter“, ganz im klassischen Sinne von Verehrung und des -ausgestellt seins-, was dieser steten philosophischen Spiegelung des seriellen Konzepts eine weitere Ebene gibt. Aber dieses mal ist der Sockel nur 80 cm hoch; die Betrachter blicken also haarscharf am Betrachter vorbei auf etwas „über ihnen stehendes“, metaphorisch gesprochen. Das bringt den Ausstellungsbesucher interaktiv dazu, ebenso dort nach Auflösung zu suchen, wo „sie“ hinblicken. Erst wenn man den Gipsfiguren ganz nah ins Angesicht blickt, könnte man das Gefühl haben, dass sie ins eigene Angesicht, d.h. direkt zum Ausstellungsbesucher blicken. Vordergründig blicken sie nach oben in den Dachstuhl der alten Scheune, auf etwas Unbekanntes. Vielleicht sind diese Figuren in dieser Installation weniger „Betrachter“, denn mehr „Suchende“.
Diese Installationsform hat sich herausgeschält, als ich mich mit dem Raum (der alten Scheune im Katharinenhof)und der Dynamik der Ausstellung beschäftigt habe und eben mit dem Umstand, dass diese Installation z.T. parallel in der Abtei Brauweiler stattfindet (am 3.12.). Die Skulpturengruppe funktioniert, -suggeriert-, so wie sie steht, derart suchend, mehr fragend als antwortend, ganz anders als in den vergangenen Inszenierungen. Nur die beiden anderen Elemente der Installation könnten ein (vor-)gegebenes Indiz dafür sein, was die Figuren suchen könnten. Das zweite, neue Element der Installation ist der Spiegel.
Er ist das Pendant zur Installation in der Abtei Brauweiler (Dazu mehr- hier – ab dem 3.12.). Dieser Spiegel erschien mir als interessantes Zusatzelement für diese Skulpturengruppe, die den Ausstellungsraum und eben auch den Ausstellungsbesucher „observiert“. Die Inszenierung einer Rauminstallation innerhalb einer Gruppenausstellung bedurft ganz spezieller Strategien, ist jedoch sehr spannend. Dieser Spiegel scheint von der eigenen Wahrnehmungserfahrung ausgehend, ungewöhnlich; er scheint alles auf den Kopf zu stellen; man findet sich nicht sofort innerhalb der vertrauten Gesetze der Raumorientierung wieder. Erst wenn man näher tritt, auf etwa 7cm Abstand und in den Spiegel hinein blickt, erblickt man sein eigenes Auge; in erschreckend nüchterner Vergrößerung. Das Auge des Betrachters, von einem blendenden Lichtkreis gerahmt, der als Spiegelung auf der eigenen Pupille sichtbar wird.
Das Wandobjekt zeigt dieses vergrößerte, nüchtern fotografierte Auge mit dem Lichtkreis, das Auge des Betrachters, … mein Auge. Denn auch ich bin, – auch der Künstler ist-, zuallererst ein Betrachter im weitesten Sinn. Das Wandobjekt rahmt die Symbolik des Auges, bzw. den Kontext, daß etwas “im Auge des Betrachters liegt“ in Verbindung mit dem Charisma-Begriff. Wie auch der Kunst-Begriff liegt der Wert von „Charisma“ im Auge des Betrachters, bzw. des Wertenden.
CharimaPin: Es ist absurd Charisma Pins zu designen, denn Charisma kann man ja bekanntlich nicht einfach anstecken, allein der Versuch wirkt wie ein billiger Marketing-Gag. Im Kunstkontext und mit der etymologischen Begriffsherleitung ist Charisma jedoch das, was der Kunstinteressierte erwartet und ggf. auch kauft. In der gesamten Kunst- und Kulturszene, ja selbst in der Politik und Wissenschaft und im privaten Bereich findet zunehmend eine absolute Höhung der Betrachter, bzw. der „Aufmerksamkeit“ statt. Es ist eine eigendynamische Entwicklung, warum und wie diese Aufmerksamkeit hergestellt wird, bzw. sogar hergestellt werden muß (?). Wir, die Künstlergruppe der Ausstellung im Katharinenhof, entschieden, Lose zu verkaufen, mit der man echte Kunst gewinnen konnte. Ich habe versucht, diesen „unbekannten Adressaten“ in mein Konzept einzubauen. Allein durch den Medienrummel und „Charisma“ Diskurse im politischen Kontext, fand ich es spannend, „Charisma“ zu verschenken, aber eben als Trostpreise. Buttons sind sicher kein klassisches Kunstmedium, sie sind Merchandising Artikel. In diesem Kontext aber, sind sie ein „Geschenk“ an einen Unbekannten, der Charisma-Pin würde rein zufällig gewonnen werden. Ein „Charisma Pin – winner edition“ den man tatsächlich selbst gewonnen hat, hat einen eigentümlichen Wert von Authentizität und er verschafft durch das performative Tragen vermutlich eine gewisse Aufmerksamkeit. Ich habe mir vorgestellt, dass ich mich, als legitimer Gewinner, über dieses Souvenir, über dieses Paradoxon freuen würde und dass ich diesen Pin bzw. Button selbst ganz experimentell ausprobieren würde…
Der Betrachter macht die Kunst / zur Installation in Rösrath / 2016
Exposé
„Der Betrachter macht die Kunst“ bezieht sich auf ein Zitat von Marcel Duchamp und beschreibt eine konzeptionelle Arbeit, die ich von 2003-2012 auf verschiedenen Ausstellungen realisiert habe. Neben den Raum-, und Lichtinstallationen entstanden verschiedene Objekte, Texte und Grafiken dafür. Die drei nebenstehend abgebildeten Objekte wurden für die Ausstellung „36. Ausstellung Rösrather Künstler 2016“ konzipiert und 2016 realisiert; sie wurden jeweils noch nicht in dieser dokumentarischen Form ausgestellt. In Rösrath würde die Konzeptkunstarbeit als Dokumentation bzw. Artefakt der Licht- und Rauminstallation in Form von drei Einzelobjekten ausgestellt. Daher ist die Figurengruppe (3) nicht wie in der Rauminstallation am Boden positioniert angeordnet, sondern auf einen Sockel, in Augenhöhe stehend.
Leitgedanke der konzeptionellen Arbeit ist, wie auch auf den Digitaldrucken (1) und (2) zu sehen, die Position des Betrachters. In der Rauminstallation, wie z.B. zur Ostrale in Dresden ausgestellt, sind die Betrachterfiguren auf dem Boden stehend angeordnet und blicken nach oben, bzw. zum Ausstellungsbesucher. Sie verweisen ihn auf seine eigene, gegebene Rolle der Partizipation innerhalb der Ausstellung und erheben ihn, gemäß Titel, zum Künstler. Dieses Konzept wurde angepasst an Räumlichkeiten und Kontext der jeweiligen Ausstellungssituationen. Mit jeder neuen Installation wurde die Aussage, dass der Betrachter die Kunst macht, neu thematisiert bzw. kamen stets neue Interpretationsebenen hinzu. So erinnerte z.B. der Schattenwurf der Figurengruppe der Installation „Generation II, Lichtspot von unten“ (1) an das Höhlengleichnis von Platon. Wobei die Teilinstallation, aus kreisförmig, dem Licht zugewandten Figuren der „Generation I, Lichtspot von oben“ (2), als dreidimensionales Bild für ihre eigene Schöpfungsgeschichte gelesen wurde.
1Die Figurengruppe (3) repräsentiert in ihrer Figurendichte, Blickrichtung und Anordnung den Ausschnitt einer der Rauminstallationen. Beispielhaft positioniert sich die Figurengruppe auf der Sockelfläche von 40 cm². Es wurde bewusst keine symbolbeladene Figurenanzahl wie drei, fünf, oder sieben gewählt, sondern sechs Figuren, die repräsentativ für „viele“ stehen. Die Figuren selbst sind formal identisch. Sie sind keine Skulpturen im klassischen Sinne. Ihre spezifische Form und fragile Materialität ist für die Gegebenheiten und Konzeption der Raum- bzw. Lichtinstallation entworfen. Ihre teils vorhandenen Gussnähte und Makel sind gemäß Konzept bewusst belassen, u.a. um metaphorisch ihre Unverwechselbarkeit innerhalb der Gruppe zu inszenieren.